Antwort auf mein Schreiben an „mein“ MdB Johannes Schraps, SPD
vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich für ein Verbot der Partei Alternative für Deutschland (AfD) nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes einsetzen.
Vielen Dank für Ihre Offenheit und dafür, dass Sie Ihre persönlichen Erfahrungen mit mir geteilt haben. Ihre Worte haben mich sehr berührt. Auch ich mache mir große Sorgen über die AfD und die Entwicklungen im globalen Kontext – Sorgen, die viele Menschen teilen, denen die Zukunft unserer Demokratie am Herzen liegt. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass diese Werte von der Mehrheit in unserem Land getragen werden
Auch in der SPD-Bundestagsfraktion beobachten wir eine sich immer schneller drehende Radikalisierungsspirale bei der AfD. Wir erkennen deutlich, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Dies wird an einer Vielzahl von Äußerungen, auch von höchsten Vertreterinnen und Vertretern der Partei, deutlich.
Gegen Verfassungsfeinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Partei-en, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Be-stand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
Die Folgen sind drastisch: Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat.
Aufgrund dieser Konsequenzen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in einer Demokratie, die maßgeblich durch den parteipolitischen Diskurs lebt, hoch. Eine Haltung, durch die oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden, genügt nicht den hohen Anforderungen an ein mögliches Parteiverbot. Eine Partei kann durch das Bundesverfassungsgericht nur dann verboten werden, wenn sie vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann. Dies muss in einem ordnungsgemäßen Verfahren festgestellt werden, das nach bisherigen Erfahrungen mindestens eineinhalb Jahre, wenn nicht länger, in Anspruch nehmen wird.
In einem Parteiverbotsverfahren müssen eindeutige Beweise vorgebracht werden. Die hohen Voraussetzungen für ein Parteiverbot stellen auch an diese Beweisführung erhebliche Ansprüche.
Skandale, wie beispielsweise das bekannt gewordene konspirative Treffen unter Beteiligung von AfD-Mitgliedern in Potsdam, bei dem rassistische „Remigrationspläne“ geschmiedet wurden, oder die Spionagevorwürfe gegen AfD-Politiker schockieren und offenbaren abermals die verfassungsfeindliche Haltung der AfD. Dennoch haben die vergangenen Parteiverbotsverfahren gezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht strengste Maßstäbe bei der Bewertung der Verfassungswidrigkeit einer Partei anlegt.
Deshalb sind viele Expertinnen und Experten skeptisch, ob die vorliegenden öffentlich zugänglichen Informationen bereits für ein Verbot der AfD ausreichen würden. Anträge auf Prüfung eines Verbotes gibt es dabei nicht. Der Antrag darf sich nicht ergebnisoffen auf eine Prüfung richten, sondern richtet sich ausdrücklich auf ein Verbot der Partei. Deshalb muss ein entsprechender Antrag umfassend begründet sein und bereits mit den erforderlichen Beweismitteln vorgelegt werden (§ 23 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Für eine umfassende Beweissammlung sind die Antragsberechtigten auch auf die Ermittlungen hierzu berufener staatlicher Institutionen angewiesen. Seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über Bestrebungen, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aufgrund ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Haltung, wird auch die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall geführt.
Dass die AfD rechtmäßig durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, hat nach dem Verwaltungsgericht Köln nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster als Berufungsinstanz bestätigt. Das Bundesamt darf damit Erkenntnisse über die Handlungen der AfD auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sammeln. Die Auswertung dieser Erkenntnisse durch den Verfassungsschutz spielt auch für uns als Fraktion eine Rolle, wenn wir gemeinsam darüber entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen. Es handelt sich um eine politische Entscheidung mit großer Tragweite, die wir uns als Teil des Verfassungsorgans Bundestag nicht leicht machen. Deshalb müssen wir jede Möglichkeit zur Beweissammlung nutzen, um schließlich darüber entscheiden zu können, ob wir den Weg nach Karlsruhe beschreiten. Parlamentarische Initiativen im Deutschen Bundes-tag, die zunächst eine Beweissammlung und Prüfung der Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsantrags durch Expertinnen und Experten beauftragen wollen, sind aus unserer Sicht dabei zielführend, da sie einen methodisch klaren Weg gehen.
Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag ist von einer gründlichen und finalen Befassung mit entsprechenden Anträgen in dieser Wahlperiode nicht mehr auszugehen. Für einen Beschlussantrag, mit dem sofort über einen Verbotsantrag des Deutschen Bundestages entschieden werden soll, ist nach heutigem Stand eine Mehrheit im Plenum absolut nicht zu erwarten, da die Fraktionen CDU/CSU und FDP jegliche Unterstützung dieses Vorhabens zum jetzigen Zeitpunkt mit wenigen Ausnahmen ausgeschlossen haben. Ohnehin könnte ein solcher Beschlussantrag den neuen Bundestag nicht binden (https://verfassungsblog.de/das-afd-verbot-in-der-sackgasse). Der Antrag auf ein Verbot der AfD müsste bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages Ende März 2025 beim Bundesverfassungsgericht eingehen. Dies ist in der Kürze der Zeit jedoch nicht mehr zu erwarten, da allein die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten und die Erstellung einer ordnungsgemäß begründeten Antragsschrift mehrere Monate in Anspruch nehmen wird. Deshalb sollte sich der Deutsche Bundestag in der kommenden Wahlperiode mit den neuen Er-kenntnissen und Einschätzungen der zuständigen Behörden zeitnah auseinandersetzen und einen entsprechenden Antrag beraten.
Dies alles darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass rechtsextremes Gedankengut, das die AfD als Partei kanalisiert, nicht in erster Linie durch ein Parteiverbot zu bekämpfen ist. Gedanken bekämpft man nicht mit Verboten. In der Tradition unserer langen Geschichte setzen wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für eine demokratische Streitkultur, die Entkräftung von Verschwörungstheorien und politische Bildung im Kampf gegen den Rechtsextremismus ein. Unser primäres Ziel muss es deshalb sein, als Staat wehrhaft zu bleiben und die AfD politisch zu stellen, damit sie nicht mehr in unsere Parlamente gewählt wird.
Nochmals vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich hoffe, ich konnte einige Ihrer Gedanken und vielleicht auch Fragen ansprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Schraps
Kurzfassung:
CDSU und FDP machen eh nicht mit, also machen wir auch nichts.
Also, außer die „AfD politisch zu stellen“.
Hahaha, haha, ha.
Meine Antwort darauf:
Hallo Herr X
vielen Dank für Ihre Antwort, die ja im Grund darauf hinausläuft, dass Sie (und Ihre Partei) nichts tun werden.
Natürlich ist mir klar, dass die Nazis nicht alle plötzlich verschwunden sind, wenn die AfD verboten wird. Nach einem Verbot können Sie mit der SPD ja immer noch loszockeln und hearts and minds von Nazis, Faschisten und Verschwörungsideologen gewinnen, wobei sich die SPD dabei derzeit nicht sonderlich hervortut, wenn ich das so anmerken darf.
Aber man muss Nazis doch davon abhalten, politische Macht zu erhalten, weil – wenn sie sie ersteinmal haben, dann ist es zu spät.
Selbst wenn – oder besser gerade weil(!) die CDSU und die FDP nicht mitmachen (oder brauchen Sie die Erlaubnis von Parteien, die ohne mit der Wimper zu zucken mit der AfD paktieren werden, wenn es ihnen einen Vorteil verschafft, um gegen die AfD zu stimmen?) muss doch irgendwer mal sagen „bis hierhin und nicht weiter!“ Ich dachte immer, deutscher Politiker (und gerade SPD-Politiker) zu sein hätte zur Basis, sich gegen Nationalsozialismus und Faschismus zur Wehr zu setzen und ihn zu ver- und behindern wo es nur geht.
Scheinbar lag ich falsch.
Es ist Zeit, ein Zeichen zu setzen gegen eine gesichert rechtsextreme Partei.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Wenn die ersten Menschen in „konzentrierten Lagern“ zusammengepfercht oder in Viehwaggons abtransportiert bzw. „remigriert“ werden? Oder wollen Sie doch lieber warten, bis die Nazis wieder anfangen, Sozialdemokraten zu verhaften und in ebenjene Lager zu bringen?
Ich bin sehr enttäuscht von Ihrer Partei.
Meine Familie war immer eine SPD-Partei, mein Großvater, meine Großmutter, mein Onkel, meine Mutter, alles Arbeiter, alles SPD-Wähler.
Ich denke, damit ist jetzt Schluss.
Vielleicht finden Sie ja Ihr Rückgrat als Partei irgendwann nochmal wieder, ich würde es mir wünschen – dann können wir uns das gern nochmal überlegen.