Auf Twitter geht gerade der Hashtag #Baseballschlägerjahre herum, und dieser Hashtag macht erschreckt mich ebenso, wie er mich an die Jahre ´92, ´93 erinnert. Die „Schrei nach Liebe“-Jahre, kurz nach der Wende. Die Jahre, in denen ich das erste Mal bewusst mit Faschos, Rechten und Neonazis zu tun hatte.
Ich war damals 15, 16 Jahre, auf dem Dorf in der niedersächsischen Provinz, wo nie was los war, und man jeden anderen Jugendlichen beim Namen kannte und höchstwahrscheinlich auch mit vielen in irgendeinem Verein zusammen war, sei es der Fußballverein, der Schützenverein oder die freiwillige Feuerwehr.
Damals war der Amiga der heiße Shit und, wie alle anderen Jugendlichen auch, hab ich Spiele getauscht. Einer meiner Kollegen, mit denen ich Spiele tauschte, Daniel, der von seinem Stiefvater geschlagen wurde und stotterte, war mein erster Berührungspunkt mit dem, was man wohl heutzutage „Rechtsrock“ nennen würde. Daniel hatte von irgendwo eine Kassette mit Störkraft, den Onkelz und Endstufe aufgetrieben und hörte das durchgehend, während wir bei ihm abhingen und zockten. Zwischendurch liefen auch mal die Hosen und der Deutschpunk- Sampler „Festival der Volxmusik“, sogar die Die Ärzte. Hauptsählich aber das Störkraft-Onkelz-Endstufe-Tape.
Ich erinnere mich, dass ich dieses Rechtsrockgeschrammel fürchterlich fand; musikalisch dilletantisch und eigentlich auch kaum verständlich, was da gesungen wurde. Sogar mit 16 und ziemlich deutschpunkaffin (und politisch recht … unbedarft) war mir das zu schlecht – und Deutschpunk ist definitiv nicht eine der qualitativ anspruchsvollsten Musikstile.
Ich hatte damals weder großartige politische Ahnung, noch habe ich verstanden, warum Daniel das gehört hat und auf einmal ein Problem mit Ausländern hatte; wir hingen damals auch mit den Kindern von potugiesischen Gastarbeitern ab, und das war nie ein Problem. Irgendwann hatte Daniel andere Freunde, Freunde, die Autos hatten, um aus dem langweiligen Dreckskaff am Wochenende rauszukommen. Freunde ohne Haare, mit Rangers, hochgekrempelten Domestoshosen und Bomberjacken.
Der Kontakt zu Daniel brach immer mehr ab, und ich habe ihn seitdem nie wieder gesehen. Das letzte, was ich von ihm gehört habe, war, dass er tief in die rechte Szene abgerutscht ist, in einer WG mit lauter anderen Nazis wohnt und den ganzen Tag säuft und kifft, während sich die blauen Müllsäcke in der ganzen Bude stapeln.
„Lustigerweise“ habe ich das von einer Bekannten erfahren, bei der ich mich nach einem gemeinsamen Kollegen aus der Schulzeit erkundigt habe. Michael. Ein ruhiger, leicht introvertierter, aber wirklich netter Typ mit Vorliebe für Skid Row.
Michael hatte das „Glück“, in einem Nachbardorf zu leben, in dem die komplette Jugendlichen-Riege aus Faschos bestand, vielen von denen ist man, wenn man ihnen über den Weg gelaufen ist, aus dem Weg gegangen. Insgesamt vielleicht 15, 20 Leute, alle mit 80er-Enduros, davon ein harter Kern von 6,8 Typen, die nicht erst nach Problemen gefragt, sondern gleich losgeprügelt haben.
Ich hab keine Ahnung, was passiert ist, aber ich vermute, dass Michael oft genug auf die Mütze bekommen hat, bis er auch der Meinung war, dass Rechts sein der richtige Weg ist. Vermutlich aber der Weg, der einen nicht des Öfteren ins Krankenhaus oder die Geschlossene bringt.
Es gab bei uns mehrere solcher Dörfer, aber seins war im Grunde genommen eine No-Go-Zone für alle, die nicht auch mit Glatze und Bomberjacke durch die Gegend gelaufen sind. Und selbst unter denen gab´s noch genug Leute, die sich untereinander nicht leiden konnten.
Auch Michael habe ich nach der Realschule nie wieder gesehen, und ich hoffe für Daniel und Michael, dass sie´s geschafft haben, aus diesen Kreisen wieder rauszukommen.