Changes come

Boxing

Corona hat vieles verändert. Für so ziemlich jeden. Das ganze Jahr ist komplett anders gelaufen, als es sich irgendjemand hätte ausmalen können. Und – wir in Deutschland sind ja noch mehr oder weniger mit einem Kratzer und ein paar Schrammen davon gekommen.

Auch für uns war das Jahr hart. Beide im Homeoffice, mit Kleinkind und Fulltime-Job ist kein Kindergeburtstag. Wir sind schon auf dem Zahnfleisch gegangen, und ich mag mir nicht vorstellen, wie das für Menschen war, die keine Möglichkeit zum Homeoffice hatten.

Wahnsinn.
Aber das ist nicht das, worum es mir heute geht.

Heute möchte ich über etwas schreiben, was für mich bis vor- und auch mitten im Lockdown kaum denkbar war.

Aber dazu möchte ich ein wenig ausholen.

Vor etwas mehr als vier Jahren habe ich angefangen, zu boxen. Ich hatte vorher Fußball gespielt, und suchte einen anderen Sport, weil mir beim Fußball einfach zu viel getrunken wurde (ja, was willste erwarten, Fußball im Pott, schon klar) und weil ich keine Lust mehr hatte, mich in der Alte Herren-Mannschaft ständig von irgendwelchen Idioten, die vermutlich dachten, es geht um die Weltmeisterschaft, umtreten zu lassen.
Also habe ich überlegt, was ich stattdessen machen könnte – ich wollte zumindest zweimal die Woche richtig hartes Training machen.

Ich erinnerte mich an einen Trainer, bei dem ich eine philippinische Kampfsportart trainiert hatte, der uns mal sagte „Ich könnt Euch mit allen Leuten anlegen, aber nehmt Euch bloß vor Boxern in Acht!“.
Das fand ich damals schon interessant, bin dann aber auch davon abgekommen. Ich war damals um die 20, und irgendwann waren viele andere Dinge wichtiger als Sport.

Damit war für mich die Entscheidung gefallen, und ich habe auch tatsächlich ein gutes Gym bei uns gefunden. Das Training hatte mich ab der ersten Stunde gehookt. Es war für jemand „untrainiertes“ anstrengend, technisch anspruchsvoll und für mich sehr befriedigend. Auch, wenn man klischeemäßig erwartet, dass man sich beim Boxtraining permanent ins Gesicht haut ohne Sinn und Verstand, so ist Boxen genau das Gegenteil. Es gibt zwar nur relativ wenige Techniken im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten, aber es ist eine Herausforderung, diese auch sauber und präzise anzuwenden.

Boxen ist straight, geradeheraus und hart.

Es ist anspruchsvoll, erfordert gute Reflexe, gutes Timing, gute Technik und eine Wahnsinnskondition. Mit anderen Worten: Boxen fordert den ganzen Körper, und den Geist.

Ich habe mich instant in diesen Sport und das Training verliebt. Ja, ich möchte sogar sagen, dass Boxen mein ganzes Leben verändert hat. Es hat mich aufgeweckt, hat mir gezeigt, welche Grenzen mein Körper hat, und wie ich über diese Grenzen hinauswachsen kann. Und wie unglaublich anstrengend das ist – aber auch wie befriedigend es ist, mehr zu schaffen als vorher.

Es hat nicht lang gedauert, dann war ich nicht nur zweimal die Woche beim Training, sondern dreimal, viermal, manchmal öfter. Habe zu Hause Gewichte gestemmt, vorm Spiegel trainiert, um die meine Technik zu verbessern. Ich habe nach mehr Möglichkeiten gesucht, die Leistungsfähigkeit meines Körpers herauszufinden, habe viele Lauf- und Crossrunning-Events mitgemacht und bin Sprungschanzen hochgerannt.

Auch meine Frau und der Teenie haben sich zum (Thai-)Boxen angemeldet, und das Freitags-Hardcore-Workout war dann über ungefähr zwei Jahre ein toller Wochenabschluß für die ganze Familie. Der Sport hat uns insgesamt auch viel enger zusammengebracht, und das war sehr, sehr schön.

Ich hatte im November 2018 sogar einen Kampf angesetzt (den ich aber leider doch nicht machen konnte, weil mir beim Warmlaufen 30 Minuten vorher ein Muskelfaserriss das Ganze versaut hat). Aber allein die Vorbereitung für einen Kampf, 3 Monate 4-5x Training & Sparring pro Woche, die ansteigende (An-)Spannung vor dem Kampf, das war definitiv ein Erlebnis, welches ich nicht missen möchte (und ja, richtig, die ganze Vorbereitung war dementsprechend für die Katz).

Wir haben dort tolle Trainer, die uns in den Hintern getreten haben, wenn wir mal einen Scheißtag hatten, aber immer mit viel Herz und Humor. Ich mag mein Gym, ich mag das Ambiente, die Trainer und die Leute, mit denen ich trainiert habe. Das Boxen und das Training war mittlerweile ein wirklich integraler Bestandteil meines Lebens.

Und dann kam Corona.

Alles war zu, Training nicht mehr (im Gym) möglich, und das für einen unbestimmten Zeitraum. Kein Training mehr.
Ich habe mich (know your enemy) sehr intensiv mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Corona auseinandergesetzt, und mit Erschrecken Laschets (Ja, wir leben in NRW, leider.) Öffnungsorgie verfolgt und bin immer noch sehr überrascht, dass sich die Auswirkungen in Grenzen halten.

Als die Fitnessstudios wieder öffnen durften, habe ich die Nachricht mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen.

Klar:
„Geil, endlich wieder Training! Endlich wieder rocken!“

aber auch

„Ist es Dir das Wert, zum Training zu gehen und (unnötigerweise) die Chancen auf eine Infektion zu erhöhen und diesen Mist ggf. mit nach Hause zu schleppen?“

Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht wirklich über den Übertragungsweg Aerosole [1] Bescheid und bin dann einige Male zum Training gegangen, konnte mich aber auch kaum auf das Training an sich konzentrieren, sondern war mehr damit beschäftigt, mir zu überlegen, wie hoch die Infektionschancen in einem Raum voller Menschen sind, die hart trainieren. Je mehr Infektionen bekannt wurde, die über Aerosole übertragen wurden, desto weniger wollte ich tatsächlich mit anderen trainieren.

Ich weiß nicht, wer von den Menschen, mit denen ich trainiere was in seiner Arbeit / Freizeit macht. Kann nicht einschätzen, in wie fern sich an Hygieneregeln, Abstand und Maskenpflicht gehalten wird. Kann nicht einschätzen, ob jemand trotz Symptomen oder unbemerkt infiziert zum Training geht.

Also musste ich für mich entscheiden, ob ich das Risiko auf eine Infektion (meiner Ansicht nach) unnötig erhöhe, oder ob ich auf die Logik höre und das Training aussetze. Was in Konsequenz bedeutet, dass ich für eine möglicherweise sehr lange Zeit nicht mehr zum Training gehen kann.

Meine Frau hat Asthma und ist gehört zur Risikogruppe.
Und ich könnte mir nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn ich, weil ich unbedingt zum Training rennen musste, diesen Dreck zuhause anschleppe und ihr was passiert.

Eine Lösung für das Coronaproblem ist lange nicht in Sicht, und, wenn man sich so umsieht, wird Corona verdrängt, oder gar nicht als Bedrohung wahrgenommen. Und das trotz der Tatsache, dass mittlerweile feststeht, dass Corona mehr ist als nur eine einfache Grippe und die Folgen (Angriff der inneren Organe und des Hirns etc.) als Spätfolgen noch nicht einmal absehbar sind.

Für mich ist das Trainieren in einem geschlossenen Raum zusammen mit vielen anderen nichts anderes als nach Malle zu fliegen und dort besoffen aufeinander zu hocken – zwar ohne das bescheuerte Gesaufe, aber im Grunde genau so gefährlich.
.
Und hier schließt sich der Kreis zu meiner Einleitung. Etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich es tatsächlich mal mache.

Ich habe gestern die Kündigung für mein Box-Gym unterschrieben.
Das macht mich sehr traurig.

Ich hoffe, dass es so schnell wie möglich einen Impfstoff gibt, dann bin ich der Erste, der sich wieder anmeldet.

Fuck Corona!

Mühlenkopf Kraxler 2019 ( & 2018)

Mühlenkopf Kraxler

Nachdem ich 2018 das erste Mal (und beim ersten Kraxler überhaupt) so bekloppt war, die höchste Großschanze der Welt, nämlich die in Willingen, hochzurennen, musste ich das dieses Jahr gleich noch mal machen.

Ich kann mich noch gut an den „Lauf“ 2018 erinnern. Die Frau, die mich sonst zu diesen ganzen unmöglichen Läufen begleitet, war leider nicht dabei, und so bin ich alleine ins Sauerland, nach Willingen gefahren.

Die Schanze hatte ich schon im Trailer-Video gesehen, und war nicht sonderlich eingeschüchtert davon, was sich aber schlagartig geändert hat, als ich davor stand.

Alle Bilder gibt´s hier auf der offiziellen Website:
https://www2.warsteiner.de/kraxler

Der Kraxler 2018

Wenn man davor steht, sieht das Ganze nämlich schon ganz anders aus als in so´m ollen Video im Internet. Zuerst hatte ich ja die Hoffnung, dass man nur bis zum Schanzentisch muss – was an sich schon heftig ist.

Aber – es soll ja auch eine Herausforderung sein – es geht tatsächlich bis ganz hoch.

Die Schanze ist 156m hoch, die Strecke nur rund 400m lang und hat einen Anstieg von 38°. Ich hätte nicht gedacht, dass 400m einmal so lang werden können. Der Anlauf war ja noch in Ordnung, aber spätestens nach 50m am Hang habe ich gemerkt, dass das hier alles ist, aber kein Kindergeburtstag. Vor allem nicht, bei der Hitze, ich glaube, es waren an die 30°.

Ich laufe recht viel und war der Meinung, damit wäre ich schon ziemlich gut in Form, diesen lumpigen Hügel hochzuwackeln. Ich hätte mich nicht mehr täuschen können.

Ohne lügen zu wollen: Der Kraxler war das brutalste an sportlicher Betätigung, was ich jemals gemacht habe.

Jeder einzelne Zentimer muss erkämpft werden, jedes Abrutschen auf dem lockeren Boden, das Festhalten an den Grasbüscheln und darauf zu achten, den Tritt zu behalten kostet unglaublich viel Kraft. Und das ist nur die Ruheposition.

In meinem Falle sind das ungefähr 80kg, die da oben raufbefördert werden sollen, und jedes Gramm spürt man. Klettert man also dort den Hang hoch, ist die Steigung so, dass man kein Ende sieht; Und die Strecke kommt einem noch unendlicher vor, als sie eigentlich ist.

Ist man nach gefühlten Äonen Anstrengung und Schmerzen endlich am Schanzentisch angelangt und im Grunde genommen schon völlig am Ende, kommt der anstrengende Teil: Die Schanze selbst.

Da die Schanze keinen Halt bieten würde (was ja auch ziemlich blöd wäre, wenn da im Winter irgendwelche Verrückten runterfahren), wurden praktischerweise Holzlatten quer über der Fahrbahn befestigt. Damit hat man zumindest ein bisschen Unterstützung. Mehr als einmal auf der Schanze haben mich die sich neben der Schanze befindlichen Treppenstufen angelacht und gesagt: „Komm schon, hier lässt sich´s viel einfacher laufen! Das ist viel zu anstrengend, das packst Du eh nicht!“

Ich weiß nicht wie, aber ich hab´s tatsächlich bis ganz nach oben geschafft. Ich kann mich erinnern, dass ich in den ersten 3-4 Minuten nur auf dem Rücken liegen konnte, während ich versucht habe, Luft zu kriegen und nicht mal mehr in der Lage war, ein mir angebotenes Wasser zu trinken. So tot war ich nicht nach 10 Runden Sparring. Kein Witz.