Geschichte – Mehr als nur Jahreszahlen.

Geschichte ist eines der wichtigsten und interessantesten Themengebiete, die ich mir vorstellen kann. Geschichte ist so viel mehr als dröge Jahreszahlen.

Geschichte, das sind Ereignisse und Personen, Entscheidungen, Krieg und Frieden, Katastrophen und Erfindungen, Verrat und Intrigen, aber auch Zusammenhalt und Gemeinschaft. Ein Strom der Entwicklung, der uns dahin geführt haben, wo wir jetzt sind.

Ich habe das stumpfe Jahreszahlen-Auswendiglernen, was manche Geschichtslehrer praktizieren, im Geschichtsunterricht nie verstanden. In „Geschichte“ geht es um Menschen, um Ursachen und Wirkungen, im Großen wie im Kleinen.

Entscheidungen und Ereignisse, die vor hunderten oder tausenden von Jahren stattfanden, haben Auswirkungen auf unser heutiges Leben, auf unser Denken, unser Handeln und unsere Welt. Ohne zu wissen, warum Dinge sind, wie sie sind, können wir gemachte Fehler nur wiederholen.

Es gibt prägnante Vorkommnisse, die in kurzer Zeit die ganze Welt umkrempeln können. Die Anschläge vom 11. September 2001 haben unser aller Leben drastisch verändert. Die Anschläge waren Auslöser der Kriege im Irak und Afghanistan. Durch die Kriege haben hunderttausende Menschen ihr Leben verloren, die gesamte Nahost-Region ist zum instabilen Pulverfass geworden, der globale Terrorismus wächst, ebenso wie die Überwachung eines jeden Einzelnen, Millionen Menschen sind auf der Flucht und in Europa erwacht das Gesicht des Faschismus wieder zu neuem Leben.

Ich sehe eine kausale Kette, die vielleicht nicht ganz rund, aber für den, der sehen will, deutlich ist. Natürlich hat Bush 2003 nicht geahnt, welchen Flächenbrand er mit den Präventivkriegen und seinen an den Haaren herbeigezogenen „WMD“-Anschuldigungen entfachen würde. Die Auswirkungen sind dennoch umso deutlicher.

Überspitzt können man sagen, dass Bin Laden Schuld an der AfD ist.

Geschichte ist persönlich.

Mein Opa, der Marinesoldat im Krieg war, und meine Oma, die ihre Kindheit in Hannover während der Bombardierungen verbracht hat, haben mir schon von kleinauf viel aus der NS-Zeit und ihren Erlebnissen in den Kriegsjahren erzählt.

Ich habe mir, trotz der ausführlichen Erzählungen damals, kaum das Außmaß der Grausamkeiten und des Schreckens vorstellen können, die meine Großeltern erlebt haben.

Gerade jetzt, beim Schreiben, fallen mir viele Dinge wieder ein. Wie etwa die „Feuerstürme“, von denen meine Oma berichtet hat. Diese Feuerstürme rasten nach den Bombardierungen durch die Straßen von Städten und verbrannten Menschen bei lebendigem Leib zu Asche. Meine Oma hat als kleines Mädchen so ihre Nachbarn vorgefunden, nachdem ihr Haus ausgebombt wurde.

Sie sah KZ-Züge am hannoveraner Bahnhof, die dort tagelang standen und aus denen die Menschen darin nach Wasser und Essen, vor Angst und Schrecken geschrien haben. Sie sagte, alle haben gewusst was da passiert. Wer in den Zügen ist. Keiner hat etwas getan.

Mein Opa war als Junge in der Hitlerjugend, und war, wie er selbst sagte, begeistert dabei. Er war sogar Jugendführer seiner Ortsgruppe und ganz stolz darauf, dass Hitler auf dem Weg zum Erntedankfest in seinem Dorf an der B1 angehalten hat und er mit seiner Gruppe vor Hitler strammstehen durfte.

Als er alt genug war (ich meine, ´41) hat er sich freiwillig zur Marine gemeldet, wollte U-Boot-Fahrer werden. Die U-Boot-Fahrer wurden damals zu Helden stilisiert, und das hat auch bei ihm gegriffen.

Glücklicherweise klappte das aus medizinischen Gründen nicht, und so wurde er auf einem Minensuchboot als Funker eingesetzt. Er hat auch an mehreren Gefechten teilgenommen („Wenn Du siehst, wie auf dem Deck vor dir einem Freund der Arsch weggeschossen wird, fängst Du an, Dich zu fragen, was das alles soll.“).

Gegen Ende des Krieges war er für mehrere Jahre in US-Kriegsgefangenschaft. Er war danach mit Politik durch – nicht, dass er sich nicht dafür interessiert hat. Das hat er – und das hat er mir weitergegeben. Dafür bin ich ihm auch für immer sehr dankbar. Für ihn waren nach dem Krieg nur alle Politiker nicht mehr als Verbrecher. Vor allem Strauß, von dem er sagte, dass er „genauso einen Scheißdreck redet wie der Hitler“.

Die einzige Partei, die er – zumindest bis Schmidt – noch akzeptiert hat, war die SPD.

So vorgebildet konnte und kann ich gar nicht anders, als zumindest „gegen Rechts“ zu sein. Meine Eltern und Großeltern haben mich sehr humanistisch und aufgeklärt großgezogen, und von meinen Großeltern (und einem sehr guten Geschichtslehrer) habe ich meine Liebe und mein Interesse für Politik – und damit auch für Geschichte.

Dadurch, dass sie über ihre Erlebnisse gesprochen haben, haben sie scheinbar sehr viel mehr richtig gemacht als die, die geschwiegen haben. Dafür bin ich ihnen für immer dankbar und hoffe, dass ich das auch an meine Kinder weitergeben kann.

Bei dem Großen hat´s scheinbar schon funktioniert.

Schreibe einen Kommentar