… und dann musste eben doch.

Meine Mutter, die im Juni einen Schlaganfall hatte und jede Behandlung verweigert hat, ist jetzt alleine zu Hause. Sie ist stark dement.

Der Pflegedienst kommt morgens und abends, gibt ihr ihre Medikamente und macht ihr Essen. Mittags kommt Essen-auf-Rädern. Sie isst nicht, sie trinkt kaum und magert immer mehr ab.

Im Kühlschrank stapeln sich die Essenspakete vom Bringdienst. Sie rührt sie nicht an, sie hat keinen Hunger. Sie raucht 3-4 Packungen Zigaretten am Tag und lebt in permanenter Angst, dass sie keine Zigaretten mehr hätte, auch wenn direkt neben ihr auf dem Sofa eine ganze Stange liegt.

Die nimmt sie gar nicht wahr und verlangt, dass sie zur Tankstelle gebracht wird, um Zigaretten zu holen.

Sie kann nicht sprechen. Sie kann sich an nichts erinnern, was in jüngster Vergangenheit, inklusive der letzten 2 Minuten passiert ist. Auch nicht daran, dass sie vor ein paar Tagen alleine ins nächste Dorf laufen wollte um dort in den Supermarkt zu gehen. Geschafft hat sie es bis eine Straße weiter, wo sie dann von Dorfbewohnern auf dem Boden liegend aufgefunden und nach Hause gebracht wurde.

Die Post öffnet sie seit Monaten/Jahren nicht mehr. Um Rechnungen, Pflegeversicherung, Krankenversicherung, Pflegedienst, Essen auf Rädern, Arzttermine, Telefonate mit Hilfsdiensten, Ämtern, Ärzten etc. kümmere ich mich.

Ihr Ex/Lebensgefährte besucht sie einige Male am Tag und schaut nach dem Rechten, er nimmt sie mit zum Einkaufen, wo man auch Kaffee trinken kann, damit sie unter Leute kommt und organisiert den Logopäden.

Ihr Zustand verschlechtert sich rapide und natürlich möchte sie nicht in einem Heim untergebracht werden, sondern zu Hause bleiben.

Sie würde sich spätestens nach 2 Tagen wieder, wie auch im Krankenhaus oder der zweimal versuchten Reha wieder selbst nach Hause entlassen.

Sie war schon vor der Demenz und den Schlaganfällen die sturste und uneinsichtigste Person, die ich jemals in meinem Leben kennengelernt habe, und das ist nur noch schlimmer geworden.

Wir nahen Angehörigen sind komplett überfordert mit der Situation, und wir wissen einfach nicht mehr, was tun,
Die Situation und die Sturheit meiner Mutter kosten uns Nächte, Nerven und Zeit und wir gehen alle auf dem Zahnfleisch.

Mir wird vorgeworfen, ich würde mich nicht kümmern – wobei ich mich in den letzten Monaten um Etliches in unzähligen Stunden und Telefonaten gekümmert habe.

Ich habe eine eigene Familie, ein sehr forderndes Kind im Kindergartenalter, ein Haus, in dem noch sehr viel zu tun ist und einen Vollzeitjob und kann nicht jeden Tag bei ihr vorbeifahren und nachschauen, ob alles okay ist. Dafür habe ich Pflegestufen, Pflegedienste und das Essen auf Rädern organisiert.

Ich habe ihre Betreuungsverfügung und die Vorsorgevollmacht, die mich berechtigt, sie „unterzubringen“. Ich habe auch die Berechtigung, sie solange es „zu ihrem Wohl erforderlich ist“, über ihre freiheitsentziehende Unterbringung zu entscheiden.

Das Schlimmste ist aber, dass ich keine Ahnung habe, was zu tun ist. Dürfen Pflegeheime demente Patienten, so wie Krankenhäuser, wieder auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen? Dann haben wir den gleichen Zirkus mit Hinbringen- und abholen in Endlosschleife.

Mit zermürbenden, nicht enden wollenden „Ihre Mutter möchte nach Hause, sie müssen sie abholen kommen“-Telefonaten.

Mit fruchtlosen Diskussionen mit der Familie, weil „man doch was machen muss, DAS GEHT DOCH SO NICHT!!!!“.

Manchmal habe ich Momente, an denen ich einfach nicht mehr weiß, wie ich weitermachen soll. Und dann kommt der Kleine oder die Arbeit oder sonstwas, und dann musste eben doch.